Park des ehemaligen Schlosses Hedwigsburg, Rittergüter Hedwigsburg und Kissenbrück


 

Neu gepflanzte Lindenallee mit der Allegorie der Stärke (2024)

Geschichte

Der Park des im 2. Weltkrieg zerstörten Schlosses Hedwigsburg liegt im Südwesten von Kissenbrück (Samtgemeinde Asse, Landkreis Wolfenbüttel), landschaftlich reizvoll in der Oker- und Ilseaue. Ein hier ursprünglich vorhandener Meierhof „Stecklenburg“, der auf eine germanische Fluchtburg zurückgeht, befand sich im Besitz des Stiftes St. Blasius in Braunschweig. Der Hof, der wiederkäuflich zuletzt dem Kammersekretär des Herzogs Heinrich der Jüngere (1489 -1568), Stephan Schmidt, verliehen war, wurde 1578 durch Herzog Julius (1528 -1589) erworben. Er baute das Gut in ein Lustschloss mit Gartenanlagen, Teichen, Grotten und Statuen um und machte es seiner Gemahlin Hedwig (1540 – 1602), der Tochter des Kurfürsten Joachim II. von Brandenburg, zum Geschenk. Zu Ehren der Herzogin wurde der fürstliche Sommersitz, auf dem das Herzogspaar gern weilte, Hedwigsburg genannt. Der Name Stecklenburg verschwindet. Das Lustschloss, eines der ersten nach Erstarken des Absolutismus im Braunschweiger Gebiet, war aus der Residenz Wolfenbüttel über die schiffbare Oker und über einen von Herzog Julius angelegten Kanal direkt erreichbar.

Bis 1769 blieb das Schloss, abgesehen von einem kurzzeitigen Verkauf 1630, in herzoglichem Besitz, wurde dann aber unter Erbprinz Karl Wilhelm Ferdinand (1735 -1806) wegen Spielschulden an den Geheimen Rat, Oberkammerherrn und Oberhofmarschall Albrecht Edmund von Münchhausen (1729 -1796) verkauft. Aus dem fürstlichen Haus wurde ein „Rittergut“, das bis 1811 im Besitz der Familie von Münchhausen blieb. Unter Münchhausen wird das Schloss durch zwei Seitenflügel erweitert und die barocke Gartenanlage im Stil des englischen Landschaftsgartens verändert. Diese dem Barock folgende zweite Phase der Verlandschaftlichung und Erweiterung der Parkanlage bildete den Höhepunkt in der Geschichte des Parks.

Unter dem dann folgenden Besitzer, Fabrikdirektor August Christian Graberg, begann die dritte Phase der Anlage, die des Niedergangs. Wahrscheinlich aus ökonomischen Gründen ließ Graberg die Anlage drastisch verkleinern und baute sie in Teilen zurück. Andererseits stattete er die verbliebene Parkanlage mit Skulpturen aus, die vor allem aus dem abgerissenen Schloss Salzdahlum stammten. Auch die 1738 von Johann Friedrich Penther für den Garten des Schlosses Wernigerode entworfene Sonnenuhr, die heute vor der Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel steht, wurde von Graberg in Hedwigsburg aufgestellt. 1900 ging das Rittergut Hedwigsburg in das Eigentum der Familie von Löbbecke, 1932 in das der Familie Bennecke über.

Das Schloss Hedwigsburg, das aus einem prächtigen Mittelbau (22,50 x 16,15 m), zwei Eckpavillons und verbindenden Zwischenbauten bestand, wurde am 14. Januar 1944 durch einen englischen Fliegerverband, der Restbomben abwarf, zerstört. An seiner Stelle entstanden später Wohn- und Wirtschaftsgebäude. Nach dem 2. Weltkrieg wurden die Ländereien, die Hofstelle und die Wirtschaftsgebäude des Rittergutes Hedwigsburg innerhalb der Familie Bennecke aufgeteilt. Dadurch entstand das neue Rittergut Kissenbrück.

Der Schlosspark blieb erhalten, ist jedoch ebenfalls zwischen dem Rittergut Hedwigsburg und dem Rittergut Kissenbrück aufgeteilt. Überall im Park kam es zu Pappelaufforstungen für die in Braunschweig ansässige Zündholz AG. Der Park blieb jedoch in seinen Grundzügen erkennbar.

Schloss Hedwigsburg vor der Zerstörung im Januar 1944

 

Konzeption des Parks

Oberhofmarschall Albrecht Edmund von Münchhausen erweiterte das Schloss, eines der bedeutendsten niedersächsischen Barockbauten, durch die beiden an den Mittelbau angefügten Seitenflügel. Den Park ließ er in einen englischen Landschaftspark umgestalten, in dem die Grundzüge der barocken Anlage erkennbar blieben. Daran, dass die streng symmetrischen Strukturen der Vorgängeranlage weiterhin den Grundriss dominierten, wird deutlich, dass es nur begrenzt gelang, den formalen Barockgarten dem Geschmackswandel hin zum Landschaftsgarten anzupassen.

Plan von Schönian, datiert 1785

Über eine Lindenallee (2019/20 neu angelegt) erreichte man nach 1770 durch ein Portal und über eine Brücke den Wirtschaftshof des Schlosses und den anschließenden Schlosshof. Im Zentrum des halbkreisförmigen Rasenovals stand die nach dem Entwurf Penthers angefertigte Sonnenuhr. Das Wasser der Ilse speiste die Graften, die Hof und Garten umgaben und ihrerseits nach holländischem Muster von Alleen gesäumt waren. In Verlängerung der Lindenallee lag das Schloss mit dessen Gartenanlage, dem ursprünglich barockem „Luststück“, dem sich in achsialer Verlängerung eine weitere Allee anschloss. Diese führte entlang eines schiffbaren Kanals in die Feldflur hinaus und endete mit einer ovalen Insel und dem Tempel der Freundschaft als markanten Blickfang.

Das symmetrische Achsennetz des Barockgartens wurde unter Münchhausen durch unregelmäßige Baum- und Gehölzgruppen unter ausgiebiger Verwendung exotischer Arten, Rasenflächen, die teilweise durch Blumenbeete verziert waren, und geschlängelte Wege ersetzt. Die vor- und rückspringende Bepflanzung und die Baumgruppen in der Rasenfläche, Clumps genannt, verdeckten die gradlinige Begrenzung und eröffneten malerische Blickbeziehungen. Ein kreisrunder See mit baumbestandener Insel ersetzte die barocke Mittelallee durch das Luststück. Die schnurgerade östliche Begrenzung des Luststücks wurde durch einen noch heute erhaltenen aus geschnittenen Linden geformten Bogengang ersetzt, der am östlichen Rand von einem unregelmäßig geformten, gleichwohl geometrisch erscheinenden Fischteich mit zwei Inseln begleitet wird.

Darüber hinaus wurde der 15 Morgen umfassende Barockgarten erweitert, Felder, Wiesen und Küchengarten wurden einbezogen. Unter Münchhausen entstanden auch Parkexklaven außerhalb des Kerns der Gartenanlage, die heute nicht mehr erkennbar sind.

 

Lageplan Park des Schlosses Hedwigsburg
©2012 LGLN. Quelle: Auszug aus den Geobasisdaten der Niedersächsischen Vermessungs- und Katasterverwaltung

 

Der Park Hedwigsburg wurde in dieser Zeit mit einer Fülle unterschiedlicher, aufwendiger und zum Teil skurriler modischer Gegenstände ausstaffiert, die nach Kirsch (1993) „wie aus einem der einschlägigen zeitgenössischen Musterbücher entsprungen anmuten“. Hierzu gehörte neben dem Rundteich mit Insel und dem Bogengang aus Lindenbäumen ein „Bauernhof“, ein Vogelhaus in der Form einer Pagode, ein Obelisk, eine Einsiedlerhütte, der Freundschaftstempel, ein Venusgarten, Windharmoniken, Glasglocken, Karussells und vieles andere. Die Gesamtheit der Staffagen lässt sich laut Kirsch der Rokoko-Leitvokabel „Variéte“ zuordnen, bedingt sowohl durch die Vielzahl und Stilvielfalt der Gartengebäude als auch durch deren Kuriosität.

Der Park lässt heute noch die alte Gliederung der Baumpflanzungen, Hecken, Wege und Teiche erkennen.

 

Besonderheiten

Auf einem Stich des Malers und Kupferstechers Karl Schröder (1760 -1844) aus dem Jahre 1793 ist das heute nicht mehr vorhandene Baumhaus östlich des Küchengartens dargestellt; eine Fachwerkkonstruktion trägt über vier Stockwerken eine Plattform mit einer Galerie, deren Dach den Ecken mit Sandsteinurnen geschmückt ist. Die Galerie war ausgestattet mit Glasmalereien und verschiedenartigem Fensterglas, das einen pittoresken Landschaftseindruck vermittelte. Von hier oben wurde die Umgebung als bewusst in den Park einbezogen wahrgenommen. Das Harzpanorama, die Kirchtürme und Hüttenwerke Goslars, Schloss Wernigerode und der Brocken waren laut der Reisebeschreibung Phillip Christian Ribbentrops von 1791 Bestandteil des Landschaftsprospektes.

Am oberen Ende der Lindenallee vor dem nicht mehr vorhandenen „Baumhaus“ steht auf einem felsimitierenden Sockel eine Statue, die als Frau in antiker Gewandung dargestellte Germanische Stärke (Allegorie der Kraft), die ihre rechte Hand auf einen sitzenden Löwen legt und in der linken ein Ruder hält (Ende 18. Jh.).

Die Anlage enthält einen Hundefriedhof mit zwölf Grabsteinen, auf dem mehr als ein Dutzend Hunde zwischen 1872 und 1923 beerdigt wurden. Ursprünglich befanden sich die Grabsteine auf einer Rasenfläche näher am Schloss.

Auf einer künstlichen Anhöhe, die mit einer Hainbuchenhecke in Spiralform bepflanzt war und daher „Schneckenberg“ heißt, steht ein etwa 1 m hohes und fast 60 cm breites Steinkreuz aus Kalkstein von 1571. Dieses Mord- oder Sühnekreuz wurde 1895 von Graberg aus der Feldmark in den Park versetzt. Der Schneckenberg wurde 2019/20 restauriert und die Heckenpflanzung wurde erneuert. In das Jahr 1895 fällt auch die Aufstellung des sogenannten „Bismarcksteins“ an einem Weg im Wald nordöstlich der Lindenallee. 1888 wurde im Osten des ehemaligen Parks ein Privatfriedhof angelegt.


Schneckenberg mit Sühnekreuz, 2023

Ausblick

Die Gartenanlage des ehemaligen Schlosses Hedwigsburg ähnelt einem Dokument, das die kulturellen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Hintergründe der jeweiligen Zeit widerspiegelt. In ihm wird die Unterwerfung der Natur in der Zeit des Barocks ebenso deutlich wie die anschließende Natursehnsucht, die das Natürliche zum Maß aller Dinge erhebt und die menschliche Planung verbirgt. Der Geschmackswandel in der Landschaftsgartenmode des 18. Jahrhunderts bewirkt die Anpassung des Parks. Die Ära des Sentimentalismus verkörpert der Tempel der Freundschaft, der Betätigungsdrang des Rokokos drückt sich in Schaukeln, Lustschiffen und Badeteich aus. Der Einfluss des Sensualismus wird in Windharmoniken, Glasglocken und Schalllöchern, die Vogelstimmen imitieren sollen, deutlich.

Der Park ist aber auch ein Beispiel dafür, wie vergänglich solche Anlagen sind. Ohne ständige Anstrengungen zu ihrem dauerhaften Erhalt und nachhaltigen Fortentwicklung kommt es schnell zu einer Verbuschung und Wiederbewaldung. Erfreulich ist, dass in den vergangenen Jahren durch die Eigentümer und mit finanzieller Unterstützung durch die öffentliche Hand und Stiftungen, die Lindenallee, der große Fischteich mit zwei Inseln und der Schneckenberg wiederhergestellt und Tafeln zur Geschichte des Parks aufgestellt worden sind.

 

Literatur

• Bennecke, Werner: Kissenbrück – Beiträge zur Geschichte eines alten Dorfes; Kissenbrück 1997

• Hillmann, Holger; Krüger, Kai; Rietz, Simon: Rittergut Hedwigsburg – Gartendenkmalpflegerische Betrachtungen einer historischen Parkanlage; 4. Projektarbeit am Institut für Grünplanung und Gartenarchitektur der Universität Hannover 2003
• Kirsch, Rolf: Frühe Landschaftsgärten im niedersächsischen Raum; Göttingen 1993

ext: Günter Piegsa, Überarbeitung und Aktualisierung Klaus Hermann

Foto- und Abbildungsnachweis
Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: Kartensammlung K 8,390; Archiv Bennecke, Klaus Hermann